Beschleunigungen sind ein physikalisches Phänomen, das uns ständig umgibt. Wir nehmen es oft nicht wahr und falls doch, tut es weh, z.B. wenn man sich mit dem Hammer auf den Daumen klopft.
Mit diesem LaSi-Blog möchte ich einen Bogen schlagen von alltäglichen Situationen zu speziellen Anforderungen beim Transport mit Seecontainern oder dem LKW.
Berechnung der Beschleunigung
In der Physik spricht man von einer gleichmäßig beschleunigten Translation mit oder ohne Anfangsgeschwindigkeit.
Die Beschleunigung (a) wird berechnet, indem die Geschwindigkeit (v) durch die Zeit (t) dividiert wird. Die Beschleunigung hat die Einheit m/s2.
Häufig entstehen Geschwindigkeitsänderungen durch Bremsen, was in der Physik als Verzögerung bezeichnet wird. Die Berechnung ist die gleiche, nur das Vorzeichen ändert sich von + nach – .
In der Praxis kommt noch das wichtige Element Gewicht/Masse hinzu. Sicher hat der eine oder andere auf die Frage nach der Ladungssicherung schon die Antwort bekommen: das ist so schwer, das kann sich gar nicht bewegen. Und genau darin liegt das Problem, denn die Masse hat die Eigenschaft, ihren aktuellen Zustand beibehalten zu wollen und setzt jeder Änderung eine Kraft entgegen.
Jeder kann dieses Phänomen auch am Förderband einer Discounterkasse beobachten. Bei jedem Nachrücken und Abbremsen des Bandes werden die Artikel bewegt. Gestapelte Einkaufsgüter verrutschen, Flaschen fallen um oder fangen an zu rollen. Bei Transporten passiert genau das gleiche.
Fallbeispiel
Den Zusammenhang von Masse und Beschleunigung kann jeder am folgenden Beispiel in der Praxis testen.
Phase 1:
Man nehme einen 120mm-Nagel und einen 500g-Hammer. Setzen den Nagel mit der Spitze auf einen Klotz und legen dann den Hammer auf den Nagelkopf. Ergebnis, der Nagel wird sich minimal und unwesentlich in das weiche Holz eindrücken. Wird der Hammer wieder weggenommen, fällt der Nagel im Regelfall wieder um. Physikalisch betrachtet wirkt nur die Kraft, die sich aus dem Hammergewicht multipliziert mit der Erdbeschleunigung ergibt.
Phase 2:
Der Praktiker wird den Hammer anheben, Richtung Nagelkopf beschleunigen und diesen hoffentlich treffen. Durch diese zusätzliche Beschleunigung wird die erzeugte Kraft wesentlich größer:
Kraft (F) = Masse (m) * Beschleunigung (a)
Phase 3:
Beim Auftreffen wird der Hammer abrupt abgebremst und die Kraft treibt den Nagel in das Holz. Abhängig von der Beschleunigung, dem Gewicht des Hammers und der Reibung im Holz werden mehrere Schläge erforderlich sein.
Je nach Situation wird der Praktiker einen anderen Hammer nehmen, um die erforderliche Kraft zu erzeugen. Es gehört natürlich auch eine gewisse Technik dazu. Wer schon mal auf den „Lukas“ gehauen hat, weis wovon ich rede.
Dieses Grundprinzip versteckt sich hinter vielen Situationen in der Ladungssicherung. Z.B. dann, wenn eine Ladung nicht formschlüssig an der Stirnwand gestaut ist und der LKW-Fahrer bremsen muss. Die Ladung ist mit der gefahrenen Geschwindigkeit unterwegs (Phase 2) und wird beim Bremsen (Phase 3) negativ beschleunigt. Je größer die Geschwindigkeit und je länger der Weg ist, auf dem sie Schwung holen kann, desto größer ist die Wucht des Einschlags an der Stirnwand.
Berechnung der Energie
Physikalisch wird das mit der Formel zur Berechnung der Energie ausgedrückt. In dieser Formel steckt auch die Geschwindigkeit zum Quadrat (V2) drin.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch noch an eine Frage aus seiner Führerscheinzeit: Wie ändert sich der Bremsweg, wenn sich die Geschwindigkeit verdoppelt?
Antwort: er vervierfacht sich. Das liegt eben an der Geschwindigkeit zum Quadrat. Also wird auch die Energie (Wucht des Einschlages an der Stirnwand) mit der gefahrenen Geschwindigkeit größer.
Beschleunigung und Reibung
Ladung bewegt sich immer dann, wenn die Beschleunigung/Verzögerung größer ist als die Reibung (Reibbeiwert µ). Das heißt, so lange die Beschleunigungen/Verzögerungen kleiner sind als die Reibung zwischen Ladegut und Ladefläche bleibt die Ladung an Ort und Stelle. Erst wenn sie größer werden bewegt sich die Ladung ruckartig.
Es gibt im Regelfall keinen schleichenden Übergang. Kippgefährdete Ladeeinheiten beginnen jedoch erst zu kippen und dann zu rutschen. Das lässt sich mit Fahrversuchen gut demonstrieren.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass Antirutschmatten alleine nur eine theoretische Verbesserung der Ladungssicherung sind. Sie müssen durch zusätzliche Maßnahmen wie Niederzurren ergänzt werden.
Ein Stapel Kunststoffboxen steht ohne zusätzliche Sicherung auf der Ladefläche.
Beim Bremsen rutschen sie ohne zu kippen nach vorn.
Um die Ladung zusätzlich zu sichern, wurden die Boxen auf Antirutschmatten gesetzt.
Beim Bremsen fangen sie sofort an zu kippen.
Ladungssicherung nach Hinten
Es kommt also darauf an, Ladung am Bewegen zu hindern. Der Formschluss ist dazu die einfachste Lösung. Es ist allerdings zu beachten, dass die Ladungsbewegung in alle Richtungen verhindert werden muss, denn meistens folgt auf die Bewegung in die Beschleunigungs-/Verzögerungsrichtung auch eine Reaktion in die entgegen gesetzte Richtung. Manchmal wird die Ladungssicherung nach hinten in Frage gestellt.
Der Hauptanteil dieser rückwärtigen Beschleunigung kommt als Reaktion auf die Vollbremsung (Rebound-Effekt), weil die der Ladung innewohnende Energie nicht ganz verbraucht ist.
Nachfolgend das Beispiel aus einem Fahrversuch. Die Ladung wiegt ca. 1.200 kg, die Geschwindigkeit ca. 25 km/h.
Nach 5 sec Videolaufzeit erfolgt die Vollbremsung aus 25 km/h und die 1.200 kg schwere Ladung kippt nach vorn, weil sie nicht formschlüssig an der Gitterbox gestaut war.
Unmittelbar danach erfolgt die Bewegung (Rebound-Effekt) nach hinten. Nur 2 sec später ist die Ladung fasst vollständig umgekippt, weil die Bewegungsenergie bei der Vollbremsung nicht vollständig abgebaut wurde.
Deshalb muss Ladung auch nach hinten gesichert werden.
Beim LKW-Transport findet dieser Vorgang, die Vollbremsung mit 0,8 g, meist nur einmal statt. Beim Transport mit dem Containerschiff, das beim Rollen ebenfalls eine Beschleunigung von 0,8 g erreichen kann, kann diese Bewegung 2-3 mal pro Minute vorkommen. Diese dauerhaften Beschleunigungen stellen u.a. die Besonderheit beim Container dar.
Fazit
Der verantwortliche Verlader/Stauer ist also gehalten, die konkrete Situation auf dem LKW oder im Container zu bewerten, die Kräfte zu schätzen oder zu berechnen und dann die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Lückenfüller müssen natürlich der Dauerbelastung standhalten. Z.B. sind Abstandshalter aus Pappe in feuchter Umgebung eher ungeeignet.
Sicherungsmaßnahmen, in der Reihenfolge der Wirksamkeit, sind:
- Formschlüssig stauen
- Lücken ausfüllen, um Formschluss zu erzeugen
- Direktzurren ist auch eine formschlüssige Methode
- Direktzurren mit Antirutschmatten kombinieren
- Niederzurren immer mit Antirutschmatten kombinieren
Ihr Sigurd Ehringer
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Sigurd Ehringer
✔ VDI-zertifizierter Ausbilder für Ladungssicherung ✔ Fachbuch-Autor ✔ 8 Jahre Projektmanager ✔ 12 Jahre bei der Bundeswehr (Kompaniechef) ✔ 20 Jahre Vertriebserfahrung ✔ seit 1996 Berater/Ausbilder in der Logistik ✔ 44 Jahre Ausbilder/Trainer in verschiedenen Bereichen —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt werden sie von Sigurd Ehringer, Inhaber von SE-LogCon.