Spanngurte sind in der Ladungssicherung das am häufigsten benutzte Sicherungsmittel. Dennoch gibt es immer wieder unter den Beteiligten in der Branche Diskussionen über technische Details, die nicht selten mit fundiertem Halbwissen untermauert werden. Wer den Herrn Google befragt, bekommt ebenfalls nicht immer sachkundig zutreffende Aussagen.
Mit dem heutigen Beitrag möchte ich ein paar Details beschreiben und erläutern, bzw. Begriffe erklären. Die Grundlage dafür sind entsprechende EN-Normen. Diese sind:
- EN-12195-2 Zurrgurte aus Chemiefasern
- EN-12195-3 Zurrketten
- EN-12195-4 Zurrdrahtseile
Beginnen möchte ich mit der Erläuterung einige Begriffe.
Die Bruchkraft (BF), manchmal auch als Bruchlast bezeichnet, ist ein Begriff der häufig im Zusammenhang mit Umreifungsbändern verwendet wird. Er sagt aus, bei welcher Zugkraft das Band reißt und wird meist in Deca-Newton (daN) oder Newton (N) angegeben.
Die Zurrkraft (LC) gibt an, mit welcher Sicherungskraft man bei der Anwendung von Gurten, Ketten oder Seilen rechnen kann. Sie wird üblicherweise ebenfalls in Deca-Newton (daN) angegeben. Die Sicherungsmittel müssen eine Kennzeichnung haben, aus der die Zurrkraft hervorgeht. Die Bruchkraft des Bandmaterials, ohne Verbindungselemente, muss mindesten 3x die Zurrkraft (LC) betragen.
Die Begriffe Kilogramm und Deca-Newton werden in der Branche häufig synonym verwendet, was aber eindeutig falsch ist. Lediglich die Zahl ist die gleiche. Fahrer und Verlader verwenden z.B. den Begriff „2-Tonnen-Gurt“, weil die Zahl 2.000 auf dem Etikett steht. Bei genauerem Hinsehen wird man jedoch feststellen, dass die Einheit „daN“ lautet und nicht „kg“. Kilogramm (kg) ist die ISO-Einheit für die Masse (m) und Newton (N) für die Kraft. Genauso falsch ist die Annahme mit einem Gurt, auf dem die Zahl 2.000 steht, auch eine Ladung mit 2.000kg Gewicht sichern zu können.
Wie kommt man nun von der Einheit „kg“ zur Einheit „daN“? Dazu ist eine kleine Rechnung erforderlich, wobei 1kg stellvertretend für das Ladungsgewicht steht. Sie lautet:
1kg x 9,81m/s2 = 9,81kgm/s2 = 9,81N ergibt aufgerundet 10N = 1daN
Das Ergebnis ist die Massekraft. Es muss also lediglich das Ladungsgewicht mit der Erdbeschleunigung multipliziert und durch 10 geteilt werden. Dieser Rechenweg erübrigt sich, wenn man die Einheit „kg“ durch „daN“ ersetzt, weil die Zahl davor gleichbleibt.
Ein ebenso häufiges Thema ist die Frage, was auf einem Gurtetikett stehen muss, darauf stehen kann oder schlicht falsch/nicht zulässig ist. Die EN-12195-2 macht dazu eindeutige Aussagen. Auf jedem Etikett muss der Hinweis auf die Norm stehen. Die Erfahrung zeigt, dass er auch dann draufsteht, wenn Angaben falsch sind. Absichern kann man sich nur, indem man bei seriösen Herstellern/Lieferanten einkauft. Dubiose Quellen, marktunübliche Preise sind immer verdächtig.
Entgegen der Meinung von Beteiligten, auch manchmal von Kontrollbehörden, hat ein Gurt kein Verfalldatum. Es gibt lediglich Ablegemerkmale, die zum Aussondern führen müssen. Auch die Aussagen „nur für privat“ oder „für den Wald tut er es noch“ sind gefährlich, wenn Güter beim Transport auf öffentlichen Straßen damit gesichert werden.
Die folgenden Angaben müssen auf einem Gurtetikett zu finden sein.
Pflichtangaben gem. EN-12195-2
Kräfte müssen in daN angegeben werden. Das blaue Etikett steht für den Werkstoff PES=Polyester
- Hinweis: „Darf nicht zum Heben verwendet werden“
- Dehnung des Gurtbandes in % beim Anliegen der LC
- Zurrkraft (LC)
- Normale Handkraft = SHF
- Vorspannkraft = STF
- Längen LG = Gesamtlänge
- Länge LGF = Festende
- Länge LGL = Losende
- Herstelldatum
- Werkstoff des Gurtbandes
- Hinweis auf die DIN EN 12195-2
- Name oder Symbol des Herstellers oder Lieferers
- Rückverfolgbarkeitscode des Herstellers
Unzulässige oder nicht erforderliche Angaben
Unzulässig:
- B.L: 5.000kg
- LC: 5.000kg
Nicht erforderlich:
- GS-Zeichen
- TÜV-Prüfzeichen
Unzulässige oder nicht erforderliche Angaben
Unzulässig:
- BS: 5.000kg
- Dehnung: <7%@LC
Nicht erforderlich:
- CE-Zeichen
- GS-Prüfzeichen
Codierfäden können, aber müssen nicht sein. Ein Faden steht für 500daN. Diese Regelung ist nicht genormt und nicht gefordert, aber üblich. Ein Gurt mit 4 Fäden hätte eine LC von 2.000 daN.
Gemäß Norm muss das Herstelljahr auf dem Etikett erscheinen. Viele Hersteller nennen Monat/Jahr.
Viele Hersteller nennen Monat/Jahr. Ein Gurt hat kein Verfalldatum! Die Angaben am Ende des Etiketts für die nächste jährliche Prüfung macht Sinn, der Gebrauch über das Jahr 2011 hinaus ist möglich.
Die Ablegereife eines Gurtes ist ausschließlich durch Ablegemerkmale definiert.
Ablagemerkmale:
Schäden, die mehr als 10% der Gurtbreite-/dicke ausmachen.
- Anrisse
- Querrisse
- Kerben
- Brüche
- Korrosionserscheinungen/Rostnarben
- Verschleiß
- Schäden an Spann- und Verbindungs-Elementen
Schäden bezogen auf die Banddicke werden häufig übersehen. Die Knickprüfung zeigte eindeutig, dass der Gurt ablegereif ist.
Auch in dem Bereich, wo die Haken eingenäht sind, werden Schäden oft übersehen. Sie entstehen dadurch, dass die Einstecklatte auf dem Gurt aufliegt, wenn er in der Lochleiste eingehängt ist.
Die meisten Handhabungsfehler entstehen dadurch, dass viele der Beteiligten die Angaben auf dem Etikett der falschen Sicherungsmethode zuordnen.
Auf diesem Etikett ist das Problem mit einer Grafik gelöst.
- Niederzurren <-> Vorspannkraft
- Direkt-/Diagonalzurren <-> LC (Zurrkraft)
Die VDI-2700 Blatt 3.1 fordert von jedem Unternehmen das Gurte in Gebrauch hat, dass sie jährlich einmal überprüft werden und diese Prüfung dokumentiert werden muss. Der Anwender (Fahrer/Belader) hat den Gurt vor jedem Einsatz auf Tauglichkeit/Ablegereife zu überprüfen. Nicht selten sieht man, dass an den Einstecklatten eines LKW eine Menge Gurte hängen, die optisch gleich alt aussehen. Als Praktiker behaupte ich dann immer, dass diese Gurte nicht geprüft werden. Eine Prüfung wird im Regelfall ergeben, dass Gurte aufgrund der Benutzung getauscht werden müssen. Ist dies der Fall, würden die Gurte am LKW sich rein optisch unterscheiden zwischen länger im Gebrauch und kürzlich ausgetauscht. Allein diese Tatsache kann zu einem detaillierten Kontrollanlass führen. Dies sollten alle Beteiligten vermeiden, weil häufig noch mehr Mängel aufgedeckt werden.
Ihr Sigurd Ehringer
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Sigurd Ehringer
✔ VDI-zertifizierter Ausbilder für Ladungssicherung ✔ Fachbuch-Autor ✔ 8 Jahre Projektmanager ✔ 12 Jahre bei der Bundeswehr (Kompaniechef) ✔ 20 Jahre Vertriebserfahrung ✔ seit 1996 Berater/Ausbilder in der Logistik ✔ 44 Jahre Ausbilder/Trainer in verschiedenen Bereichen —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt werden sie von Sigurd Ehringer, Inhaber von SE-LogCon.