Ein häufig heiß diskutiertes Thema bei der Ladungssicherung im Container ist die Frage: muss nach oben gesichert werden? Wie so oft haben zwei Experten drei Meinungen, untermauert von fundiertem Halbwissen. Denn leider muss auch bei dieser Frage die Physik bemüht werden und das ist auch nicht jedermanns Sache.
Der CTU-Code macht die Sache nicht leichter, weil er die Frage außer Acht lässt und nicht konkret beantwortet. Die vorkommenden Beschleunigungen werden genau definiert, das ist ein Vorteil bei den weiteren Überlegungen.
Zunächst muss man sich klar machen, was ist der wesentliche Unterschied zwischen einen LKW und einem Schiff. Der LKW bewegt sich auf vorgefertigten Straßen die mehr oder minder gut sein können, aber er wird z.B. nicht deswegen von der Straße abkommen, weil sich die Straße um ihre Längsachse dreht. Dass dies unter bestimmten Umständen doch so sein kann, lässt sich in diesem Video sehen:
Der Normalfall ist das jedoch nicht. Das Schiff dagegen fährt auf einem sich bewegenden Untergrund und muss ständig seine Schwerpunktlage ausgleichen.
Das schwimmende Schiff ist ein frei beweglicher Körper mit 6 Freiheitsgraden. Er kann sich um und entlang von drei Achsen gleichzeitig bewegen.
Ein Schiff schwimmt, weil die Auftriebskraft des verdrängten Wassers so groß ist wie die Schwerkraft des Schiffes.
Die Zahlen im Beispiel sind fiktiv. Wenn sich die See bewegt, ändert sich die Form des verdrängten Wassers und die Lage des Auftriebsschwerpunktes. Der drückt gegen den Schwerpunkt des Schiffes.
Durch die Hebelwirkung richtet es sich wieder auf. Das passiert ständig und dadurch werden Beschleunigungen erzeugt, die sich auf die Ladung auswirken.
Besonders interessierte Leser können Mister Google unter dem Stichwort „Metazentrum“ befragen.
Im CTU-Code sind die Beschleunigungen in dieser Tabelle genannt:
Die Richtungen werden getrennt betrachtet, obwohl das in der Realität nicht so ist. Beschleunigungen wirken in alle Richtungen gleichzeitig. Der Anwender muss sich nun seinen eigenen Reim darauf machen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Sicherungsberechnung beim LKW und Container ist die angenommene senkrechte Beschleunigung, die sich auf die Reibkraft zwischen Ladung und Ladungsträger auswirkt.
Im Kapitel 2.2.2 des CTU-Codes ist folgende Formel zur Berechnung für die Reibkraft zu finden:
Nehmen wir an, wir hätten ein Ladungsgewicht von 1t=1.000kg, einen Reibbeiwert von µ=0,3 und runden die Beschleunigung auf 10m/s2 auf. Für den LKW nehmen wir üblicherweise an Cz=1g und für den Container die kleinste Angabe mit Cz=0,2g
Für den LKW würde sich folgende Berechnung ergeben:
FR=µ x Cz x m x g
FR= 0,3 x 1,0 x 1t x 10m/s2 FR= 3kN = 300daN
Für das Schiff würde sich folgende Berechnung ergeben:
FR=µ x Cz x m x g
FR= 0,3 x 0,2 x 1t x 10m/s2 FR= 0,6kN = 60daN
Hier sind man deutlich, dass Sicherungsmethoden, welche von einer hohen Reibung ausgehen, in ihrer Wirkung erheblich reduziert sich.
Nun kommen wir zum Kern des Problems. Beim Stampfen des Schiffes wird die senkrechte Beschleunigung auf 0,2g reduziert und gleichzeitig ergibt sich beim Rollen eine Beschleunigung von 0,8g.
Diese Grafiken sollen das Problem verdeutlichen.
Die Summe der kleinen Lücken ergibt eine große Lücke auf einer Seite des Containers. Bei der nächsten Rollbewegung wird die gesamte Ladung in die große Lücke rutschen. Sie hat jetzt mehr Weg, um zu beschleunigen und Energie aufzunehmen, die sich dann mit Wucht auf die Containerwand auswirkt.
Dazu kommt noch die sogenannte Winkelbeschleunigung. Die Beschleunigung innerhalb eines Containers hängt auch vom Abstand seiner Stauposition zur Rollachse ab.
Je weiter davon entfernt, desto länger der Weg in der gleichen Zeit, desto größer die Beschleunigung.
Im Regelfall hat der Versender keinen Einfluss auf die Stauposition.
Wurde die Ladung formschlüssig gestaut, alle Lücken gefüllt/kompensiert, dann bleibt für eine Ladungsbewegung kein Raum, auch wenn die Reibung reduziert ist.
Eine Sicherung nach oben, um die Reibkraft zu erhalten, ist nicht erforderlich.
Falls die Lücken nicht kompensiert und der Formschluss nicht erreicht werden kann, muss sichergestellt werden, dass die Reibung sich nicht reduziert. Jetzt sind Sicherungsmethoden wie Direktzurren, Niederzurren oder eben das Ausfüllen der Lücken zwischen Containerdecke und Ladung anzuwenden.
Eine Ladung, bestehend aus losen gestauten Fässern, lässt sich nicht lückenlos formschlüssig stauen. Hier würde eine Sicherung nach oben Sinn machen, um Ladungsbewegungen zu verhindern.
Beim Einbringen einer Sicherung gegen die Containerdecke ist zu berücksichtigen, dass diese aufgrund der geringen Stabilität nur bedingt geeignet ist. Der CTU-Code gibt eine Belastung von maximal 300kg auf einer Fläche von 60x30cm vor. Das entspricht einem Druck von 0,16kg/cm2.
Ein Staupolster wird unter Umständen schon bei einem geringerem Innendruck die Decke aufwölben und eventuell bleibend verformen. Das kann dazu führen, dass die Decke repariert werden muss und der letzte Nutzer die Rechnung bekommt.
Es kann aber auch sein, abhängig vom Ausmaß der Wölbung, dass der darüber gestaute Container mit seinem Eigengewicht die Wölbung nach unten drückt und die Kraft über das Staupolster auf die Ware überträgt und sie beschädigt.
Es ist also Vorsicht geboten beim Einsatz von Staupolstern gegen die Container-Decke.
Die formschlüssige Sicherung, indem die Ladung ohne Lücken gestaut, bzw. die Lücken kompensiert werden, ist auf jeden Fall die bessere Methode.
Ihr Sigurd Ehringer
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Sigurd Ehringer
✔ VDI-zertifizierter Ausbilder für Ladungssicherung ✔ Fachbuch-Autor ✔ 8 Jahre Projektmanager ✔ 12 Jahre bei der Bundeswehr (Kompaniechef) ✔ 20 Jahre Vertriebserfahrung ✔ seit 1996 Berater/Ausbilder in der Logistik ✔ 44 Jahre Ausbilder/Trainer in verschiedenen Bereichen —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt werden sie von Sigurd Ehringer, Inhaber von SE-LogCon.