Bei Seminaren, Veranstaltungen oder Besprechungen in den Unternehmen wird eine Frage ebenso häufig wie kontrovers diskutiert, obwohl die Regeln relativ einfach sind.
„Wie ist das eigentlich mit der Verantwortung?“
Die Ursache, so erscheint es mir häufig, liegt darin, dass der eine oder andere unangenehme Wahrheiten/Tatsachen nicht wahrhaben oder wegdrücken will.
Das geht jedoch nur bis zu einem gewissen Grad. Im Bereich der Ladungssicherung liegt die Messlatte nicht bei 60-€ und einem Punkt in Flensburg, sondern beim Straftatbestand der fahrlässigen Körperverletzung oder schlimmer noch, fahrlässigen Tötung. Diese Tatbestände könnten sich als Folge fehlender oder mangelhafter Ausbildung der Mitarbeiter, unzweckmäßige Organisationsstruktur, nicht vorhandene Verfahrensanweisungen und/oder nicht vorgenommene Kontrollen, ergeben.
Der wesentliche Unterschied ist u.a. der, dass sich nicht mehr die zentrale Bußgeldstelle meldet, sondern ein Staatsanwalt. Der sucht nach einem Verantwortlichen und befragt alle Beteiligten so lange, bis er ihn gefunden hat. In nicht wenigen Unternehmen bleibt nur der Geschäftsführer übrig, weil er den §130 OWiG „Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen“, nicht korrekt umgesetzt hat.
Mit dem folgenden Beitrag möchte ich ein paar Aspekte und Zusammenhänge darstellen, in der Hoffnung, dass jede Führungsebene versteht, welche Pflichten erfüllt werden müssen, um rechtskonform zu handeln.
Wer sich intensiv mit dem Thema befassen will/muss, dem möchte ich das nebenstehende Buch empfehlen.
Auch wenn der Titel nicht darauf hindeutet, sind die Vorgesetzten und Verantwortlichen gemeint, denn der Ladungssicherungsbeauftragte ist Berater und nicht Verantwortlicher.
Zunächst muss man wissen, dass in der Ladungssicherung zwei Rechtsbereiche eine Rolle spielen, die häufig durcheinandergeworfen und vermischt werden. Nämlich das Handelsrecht (HGB bzw. CMR) und das öffentliche Recht (StVO). Dies kann fatale Folgen haben. Es lässt sich am deutlichsten an der Geschäftsvereinbarung „Ex-Work“, also die klassische Abholer-Situation darstellen.
Der Vertrieb schließt mit dem Kunden auf der Basis des Handelsrechts einen Kaufvertrag ab und vereinbart, dass der Kunde die Ware selbst abholt oder abholen lässt. Der Gefahrübergang an den Kunden entsteht beim Bereitstellen der Ware und mit der Unterschrift auf den Lieferpapieren, wo es etwa heißt: „Ware korrekt übernommen“. Damit hat der Lieferant keinerlei Pflichten mehr, weil der Kaufvertrag damit abgeschlossen ist. Viele denken nun, sie können sich entspannt zurücklehnen.
Doch es geht noch weiter.
Am Beginn eines Transportes steht das Verbringen der Ware auf oder in das Transportmittel. Das ist im vorliegenden Beispiel die Aufgabe des Fahrers. Aus kollegialen Gründen hilft der Staplerfahrer mit. Dabei tritt er als Erfüllungsgehilfe des Kunden auf.
Was dabei vergessen wird ist die Tatsache, dass die Pflicht zur Ladungssicherung im öffentlichen Recht (§22 StVO) geregelt ist und das gilt unabhängig von den Besitzverhältnissen an der Ware. Der Vertrieb hat mit der EX-Work-Regelung zwar den Schadensfall an den Kunden übergeben, aber nicht die Pflicht zur Ladungssicherung bzw. deren Kontrolle abgegeben. Die bleibt beim verladenden Unternehmen.
Unabhängig von irgendwelchen Verträgen sitzt der Unternehmer/Geschäftsführer oder Betriebsleiter dem Gesetzgeber gegenüber, um seine Rechte und Pflichten zu vertreten. Diese Verantwortung ist ihm vorbehalten und er kann sie nicht delegieren. Delegieren lässt sich die Erfüllung von Pflichten. Mit dieser Delegation entsteht bei dem, der diese Übertragung entgegennimmt, eine eigene Verantwortung. Das ist nicht die gleiche wie die des Geschäftsführers, sondern bezieht sich ausschließlich auf die Erfüllung der Delegation.
In der Ladungssicherung kann die Pflicht dazu z.B. an einen Logistikleiter übertragen werden, der dann verantwortlich ist für diese Pflichterfüllung. Der Geschäftsführer ist aber nur dann entlastet, wenn er diese Delegation, in Form einer schriftlichen „Bestellung“ gem. §9(2) OWiG „Handeln für einen anderen“, vornimmt.
„(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebes oder einem sonst dazu Befugten
1. beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2. ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen, und handelt er auf Grund dieses Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebes vorliegen. „
Eine der häufigsten Ursachen, warum es in der Praxis schief läuft ist der Umstand, dass zum einen weder „ausdrücklich (schriftlich) beauftragt“ wird und man zum anderen dem Delegationsempfänger das Handeln in „eigener Verantwortung“ nicht zugesteht. Sind diese entscheidenden Merkmale nicht gegeben, bleibt der Geschäftsführer verantwortlich.
Solange sich die Ahndung im Bereich der Ordnungswidrigkeiten bewegt, kommt die Geschäftsleitung häufig ungeschoren davon, weil die Kontrollbehörden mit dem LKW- und Staplerfahrer zufrieden sind, obwohl die Rechtslage eine andere Ahndung zulassen würde. Sollte sich jedoch ein Straftatbestand ergeben, ermittelt ein Staatsanwalt und die Sachlage sieht ganz anders aus. Dann wird z.B. überprüft welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Straftatbestände zu verhindern oder zumindest unwahrscheinlich werden zu lassen.
Die Basis für solche Überprüfungen ist dann der §130(1) OWiG „Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen“. „Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.“
Der betroffene Unternehmer/Geschäftsführer oder Betriebsleiter muss nun darlegen, welche Überlegungen er angestellt und welche Maßnahmen er ergriffen hat, um den Vorfall zu verhindern. Hier spricht man vom „groben Organisationsverschulden“, wenn z.B. die Ladungssicherung überhaupt nicht kontrolliert wird und Mängel deswegen auch nicht festgestellt werden können.
Aus Kommentaren zu einschlägigen Urteilen lassen sich folgende Punkte zusammenfassen. Die Aufsichtspflicht wird erfüllt durch:
– Schaffung einer geeigneten Betriebsorganisation und durch Aufgabendefinition
– Aufgabenübertragung auf geeignete Personen
– Ordnungsgemäße Anleitung der Weisungsempfänger
– Angemessene Verlaufskontrolle (Dokumentation/Protokolle/Berichte)
– Überwachung der Delegationsempfänger (Stichprobenkontrollen) (Quelle u.a. Beschluss des OLG Jena vom 02. November 2005 – 1 Ss242/05)
Diese Rechtslage lässt sich auch noch mit einem Auszug aus einem Anhörungsbogen verdeutlichen:
„Die Pflicht zur Sicherung der Ladung eines Kfz gem. §22 StVO trifft neben dem Fahrer und Halter auch jede andere mit dem Ladevorgang befasste Person. Dazu gehört auch der Versender des Ladegutes. Durch die Kenntnis der entscheidenden Eigenschaften des Ladegutes, wie Gewicht, Rutschfestigkeit und Material, kann gerade der Versender die Sicherung der Ladung am zuverlässigsten beurteilen. Verantwortlich ist diejenige Person in ihrem Betrieb, der die Überwachung der Ladetätigkeit wirksam und eigenverantwortlich übertragen wurde. Dies ist in der Regel nicht der ausführende Arbeiter. Sollte keine wirksame Übertragung der Verantwortung erfolgt sein, so ist der Geschäftsführer verantwortlich.“
Damit ist klar, dass die Pflichterfüllung immer beim Unternehmer/Geschäftsführer oder Betriebsleiter liegt. Erst durch eine rechtskonforme Organisation der Abläufe und die korrekte Delegation von Pflichten an die nächste Führungsebene, kann er sich entlasten. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Geschäftsleitung.
Die Frage nach dem „und wie mache ich das?“ werde ich mit dem nächsten Beitrag beantworten.
Ich hoffe, dass jeder der diese Artikel liest bleibt am Ball und wartet gespannt auf den nächsten Beitrag.
Ihr Sigurd Ehringer
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Sigurd Ehringer
✔ VDI-zertifizierter Ausbilder für Ladungssicherung ✔ Fachbuch-Autor ✔ 8 Jahre Projektmanager ✔ 12 Jahre bei der Bundeswehr (Kompaniechef) ✔ 20 Jahre Vertriebserfahrung ✔ seit 1996 Berater/Ausbilder in der Logistik ✔ 44 Jahre Ausbilder/Trainer in verschiedenen Bereichen —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt werden sie von Sigurd Ehringer, Inhaber von SE-LogCon.