Wenn Sie sich auf der Internetseite von Rothschenk befinden, kann wohl davon ausgegangen werden, dass Sie vom Thema Ladungssicherung schon mehr oder weniger hörten. Sollten Sie noch mehr im Internet recherchieren, dann stolpern Sie über Foren, Informationsseiten von Beratern und Ausbildern, weiteren Herstellern und Händlern, großen Prüfinstitutionen und nicht zuletzt über Gruppen in den sozialen Medien und das alles zum Thema Ladungssicherung.
Besonders in den Gruppen wird mit viel Eifer argumentiert, dass hier noch ein Gurt hinmüsste und dort der Gurt drei cm weiter entfernt sein müsste, um den idealen Winkel zu haben. Natürlich kommen dann auch die selbsternannten Gurus ins Spiel, deren Latein ziemlich schnell endet und sie dann mit wüsten Beschimpfungen und haltlosen Thesen argumentieren.
Aber wo ist denn tatsächlich, dem alten Sprichwort zu folgen der „Hund begraben“?
Saubere Ladeflächen
In jeder Ladungssicherungsschulung, bei jeder Ladungssicherungsveranstaltung, bei jedem Ladungssicherungsvortrag hört man immer eines „die Ladefläche muss sauber sein um eine möglichst hohe Reibung zu erhalten“. Selbst eine gute Antirutschmatte kann ihren Zweck nicht erfüllen, wenn sie auf eine verdreckte Ladefläche gelegt wird.
Aber was ist denn sauber?
Wenn fünf Menschen auf eine Ladefläche schauen, wird es wahrscheinlich zehn verschiedene Meinungen geben.
Schaut ein sehr reinlicher Mensch darauf, würde er wohl am liebsten einen Eimer mit Reinigungsmittel und ggf. sogar Desinfektionsmittel nehmen um die Ladefläche zu desinfizieren.
Kommt jedoch eine sehr unordentliche Person in dieselbe Verlegenheit, so ist die Schwelle zur Sauberkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr weit entfernt. Dann kommt noch der selbsternannte Praktiker ins Spiel, mit dem Satz: „Da habe ich schon schlimmere gesehen“.
Diese Ladefläche ist definitiv nicht sauber. Sie wurde wohl seit sehr langer Zeit nicht mehr abgekehrt.
Bei einer solchen Verschmutzung hat der Praktiker tatsächlich erwähnt, dass er schon schlimmere sah.
Prüfung
Eigentlich ist es sehr einfach, eine saubere Ladefläche festzustellen. – Indem der Verlademitarbeiter zusieht, wie der Fahrer mit einem Besen, die gesamte Ladefläche abkehrt.
Als sinnvolles Werkzeug dient hierfür ein Stubenbesen mit schwarzer oder brauner Borste. Einen Straßenfeger sollte man nicht nutzen, da dieser oft nicht so sauber kehrt.
Manche nutzen auch einen Kompressor um die Ladefläche abzublasen. Hier kann aber oft beobachtet werden, dass sich der Schmutz durch die Verwirbelungen wieder an einer anderen Stelle absetzt. Daher sollte lieber auf die Technik verzichtet und der konventionelle Besen verwendet werden.
Welcher Kehr-Typ?
Man muss auch darauf achten, welcher Kehr Typ der Fahrer oder die Fahrerin sind. Hier unterscheide ich drei verschiedene Typen:
- Der Reinliche – dieser entfernt weitestgehend alles, was sich auf der Ladefläche befindet und kehrt das Fahrzeug von vorne nach hinten ab.
- Der Faule – dieser lässt alles, selbst die schon ausgelegten Antirutschmatten, auf der Ladefläche liegen, und kehrt dann über die Matten hinweg.
- Der Schlampige – dieser hat seine Antirutschmatten schon ausgelegt und nimmt nun einen Handfeger zur Hand, klappt die Matte hoch, kehrt nur an der Stelle an der die Matte liegt und legt sie wieder hin.
Ein „Werkzeugset“ sollte in jedem Verladebereich vorhanden sein. Ganz rechts im Bild hängt ein Stubenbesen mit schwarzer Borste.
Auswirkungen
Fangen wir von hinten an. Der „Schlampige“ arbeitet sehr akribisch und sorgt auch dafür, dass die Physik Recht bekommt und die Reibung wahrscheinlich relativ hoch ist. Jedoch könnte es im Rahmen einer Verkehrskontrolle zu Argumentationsproblemen kommen, wenn die Kontrolleure von einer verschmutzten Ladefläche ausgehen, da ja der Rest nicht abgekehrt wurde.
Bei dem „Faulen“ wäre zwar in den meisten Fällen ein Polizist beruhigt, aber physikalisch betrachtet befinden sich Dreckteilchen zwischen den Reibungspartnern, so dass es bei einer möglichen Vollbremsung oder Ausweichbewegung schief gehen könnte. Daher ist natürlich der „Reinliche“ auch unsere persönliche Nr. 1, da man nur so der Physik und dem Kontrollbeamten gerecht wird.
Ausreden… und Maßnahmen
Auch ein Thema bei der Sauberkeit ist immer der Faktor Zeit. Daher kommen oft und gerne Aussagen wie z.B. „Wir verladen am Tag … LKW, wenn wir das nun auch kontrollieren müssen, dann können wir gleich 10 Fahrzeuge pro Tag weniger laden“.
Fakt ist, wenn die verladende Person jedem Fahrer zusieht, wie er die Ladefläche abkehrt, dann sind je Fahrzeug ziemlich schnell 5 bis 15 Minuten vergangen und dies summiert sich dann über den Tag. Aber das geht auch anders.
Eine Möglichkeit ist ein Fahrerlaufzettel, den der Fahrer bei seiner Anmeldung bekommt. Darin wird aufgeführt, dass der Fahrer die Ladefläche vor dem Befahren des Verladebereiches abzukehren hat. Wird er abgerufen und ist sauber, dann ist das Ziel erreicht.
Hat er die Ladefläche jedoch nicht abgekehrt, so wäre eine Maßnahme, ihn wieder in die Warteposition zu schicken. Eine solche Maßnahme hat schon vielen Unternehmen geholfen, die Fahrer zu „erziehen“ und Anweisungen zu befolgen.
Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit. Sollte die verladende Person feststellen, dass die Ladefläche verdreckt ist, so weist sie an, dass der Fahrer die Ladefläche abzukehren hat. Dann fährt sie wieder in das Lager und holt das nächste Ladegut. Ist die Ladefläche sauber, so kann unmittelbar mit der Verladung begonnen werden, ist sie es nicht, dann positioniert der Mitarbeiter die Ladung an einem freien Platz und holt das nächste Gut und dieses Spiel wiederholt sich, bis die Ladefläche sauber ist.
Zeit ist Geld?
Oft möchte das Fahrpersonal lieber 45 Minuten diskutieren, warum denn die Ladefläche nicht sauber sei, als 5 Minuten abzukehren. Eine solche Diskussion ist mit einem Fahrerlaufzettel oder mit einer Arbeitsanweisung auch schnell erklärt „WEIL ES DA STEHT“ und sich das verladende Personal an die Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers halten muss. In vielen Fällen macht es auch Sinn, die Spedition zu informieren, dass es Schwierigkeiten mit dem einen oder der anderen gibt.
Die saubere Ladefläche ist auch eine Grundlage für die formschlüssige Ladungssicherung in einem Code XL Aufbau.
In einem Code XL-Zertifikat ist immer eine Auflistung zu finden, unter welchen Umständen der Aufbau den eingeleiteten Kräften standhalten kann. Gleich zu Beginn der Auflistung ist zu finden „Gleit-Reibbeiwert von mindestens µD = 0,3“. Diese 0,3 ist nur realisierbar, wenn die Ladefläche besenrein ist.
Um dies alles in Zahlen zu fassen, hier mal ein Vergleich: Wir gehen davon aus, dass eine Holzkiste mit einer Masse von 5.000 kg auf die Ladefläche eines LKW verladen wird.
Befindet sich die Ladefläche in einem besenreinen Zustand so kann im Normalfall von einem Gleitreibbeiwert von µD = 0,3 (30%) ausgegangen werden. Das bedeutet die Reibkraft beträgt 5.000 daN x 0,3 = 1.500 daN.
Kämen Antirutschmatten (ARM) zum Einsatz, die dann auf der sauberen Ladefläche auch richtig ausgelegt sind beträgt die Reibkraft 5.000 daN x 0,6 = 3.000 daN.
Ist aber die Ladefläche verschmutzt, ist es weitestgehend egal ob sich ARM zwischen Ladegut und Ladefläche befinden oder nicht, da der Gleitreibbeiwert ggf. nur µD = 0,1 beträgt.
Daher beträgt die Reibkraft nur 5.000 daN x 0,1 = 500 daN. Dies wirkt auf den ersten Blick nicht so dramatisch, jedoch im Zusammenspiel mit einer Niederzurrung kann es sein, das rechnerisch mehr als 50 Zurrgurte nötig wären um diese Kiste tatsächlich zu sichern.
Fazit
Wenn wir es nicht organisiert bekommen, dass die Ladeflächen vor einer Beladung sauber sind, brauchen wir uns in den meisten Fällen nicht über Gurte, Ketten & Co unterhalten, außer Sie bekommen es am Ende hin, ein Ladegut mit einer Reibung µD ≤ 0,1 wirklich zu sichern.
Ihr Christian Schmid
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Christian Schmid
✔ Zertifizierter DVR- Moderator gem. DIN ISO 17024 ✔ QM- Beauftragter ✔ Gefahrgutbeauftragter ✔ Geprüfter Industriemeister Kraftverkehr ✔ Fahrlehrer C/CE ✔ Seit 2009 Ausbilder in der Logistik ✔ Moderation der „Ladungssicherungs-Eventfläche“ im Rahmen der LogiMat in Stuttgart ✔ Prüfungsausschussmitglied für die Industriemeister Kraftverkehr bei der IHK Bayreuth ✔ Mitglied im Expertenausschuss für die Erstellung der Prüfungsfragen für die ✔ Industriemeister Kraftverkehr im Auftrag der DIHK ✔ Fachbuchautor —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt wurde dieser Beitrag von Christian Schmid, Inhaber von L.K.W.-Schmid.