Wenn ich bei Verladungen anwesend bin und die Abläufe beobachte, erstaunt es mich immer wieder, welche Beschädigungen am LKW vom Verlademitarbeiter bzw. von der verladenden Firma wortlos akzeptiert werden und der LKW beladen wird. Schäden, auch wenn sie nicht unerheblich sind, werden wie ein Sommergewitter gegen das man nichts machen kann, hingenommen.
Damit wird das Risiko eingegangen, dass der LKW im Rahmen einer Routinekontrolle angehalten, überprüft und gegebenenfalls stillgelegt wird. Die Erfüllung der Liefervereinbarung mit dem Kunden ist damit in Frage gestellt.
Ursachenermittlung
Wie kommt es zu diesem Verhalten, was könnten die Ursachen sein und wie können/müssen solche Situationen vermieden werden?
Eine der Hauptursachen scheint mir der Umstand zu sein, dass Wissen über Kosten, Wert und Gegenwert nicht vorhanden oder auf unterschiedliche Personen verteilt ist. Vielleicht ein Beispiel, das viele nachvollziehen können:
Man geht in den Supermarkt zum Einkaufen und benötigt u.a. 500 g Bohnen in der Dose. Der Preis steht bei der Ware oder auf der Verpackung und er ist akzeptabel. Bei einer der Büchsen ist die Banderole etwas beschädigt und das Blech hat eine leichte Delle. Der Inhalt ist mit Sicherheit unbeschädigt. Jeder entscheidet sich jedoch für eine unbeschädigte Dose, weil man ein Anrecht auf eine einwandfreie Ware hat.
Beim Transport von Gütern mit LKW verhält es sich im Prinzip genauso, nur wird die Denkweise nicht konsequent umgesetzt, weil es mehrere Beteiligte gibt.
Eigenschaften eines Transportmittels
Die Transportpreise werden verhandelt und oft ist den Beteiligten nicht klar, was sie für den vereinbarten Preis liefern, bzw. was sie bekommen sollen. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Ein Transportmittel muss folgende Eigenschaften erfüllen:
- Es muss für den sicheren und Vorschriften konformen Transport der in Frage kommenden Güter prinzipiell geeignet sein. Dazu gehören auch die erforderlichen Sicherungsmittel, Berechtigungen, Ausnahmegenehmigungen usw. Die Straßenverkehrsordnung (STVO) und die Straßenverkehrszulassungsordnung (STVZO) sind dafür die wesentlichen Grundlagen wie auch die Gefahrgut-Vorschriften.
- Das Fahrzeug an sich muss den technischen Vorschriften (z.B. TÜV) genügen und betriebs- und verkehrssicher sein.
- Es muss zum vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung stehen.
Erst wenn die Punkte 1-3 eindeutig und detailliert geklärt sind, kann unter verschiedenen Anbietern der günstigste ausgewählt werden.
Detailfragen zu Punkt 1
- Art des Fahrzeugs, offen, geschlossen, Kühler usw.
- Ausreichend Nutzlast für die zu transportierenden Güter
- Vorladung zulässig, ja oder nein
- Falls nicht formschlüssig geladen werden kann, die Anzahl der Zurrpunkte bzw. die notwendige Lochleiste
- Anzahl und Eigenschaften der Sicherungsmittel (LC; STF; Dehnung; Ratschentyp usw.)
- Anzahl und Eigenschaften der Hilfsmittel (Antirutschmatten, Kantenschutzwinkel, Leerpaletten für Kopflashing usw.)
- Dabei sollte ebenso eindeutig vereinbart werden, dass bei bestimmten Schäden/Mängeln das Beladen ohne Kostenerstattung abgelehnt wird.
- Auch der Fahrer spielt dabei eine Rolle. Sollte er unkooperativ, anmaßend gegenüber dem Verladepersonal oder gesundheitlich bedenklich (Alkohol, Drogen) sein.
Eigenschaften/ Umstände zu Punkt 2
- Alle technischen Vorgaben, welche die Betriebs- und Verkehrssicherheit bedingen. Bremsen, Beleuchtung, Richtungsanzeiger, Frontscheibe, Seitenspiegel usw. Auch Merkmale, welche rein optisch einen Verdacht erzeugen und eine Kontrolle auslösen könnten, sollten dazu gehören.
- Tragende Teile wie Fahrzeugrahmen, die Ladefläche, Stirnwand, Bordwände
- Bei formschlüssiger Ladungssicherung die Befestigungselemente für die Rungen, Fahrzeugplane, Bordwand-Scharniere, Bordwand-Verschlüsse, der Übergang der Stirnwand bzw. des Heckportals zur Ladefläche, usw.
- Unternehmensspezifische Vorgaben, bei welchen Schäden das Beladen abgelehnt wird. Am besten kann so etwas mit beispielhaften Bildern unterlegt werden.
Die nachfolgende Bildersammlung soll beispielhaft zeigen, wie Mängel aussehen können, welche im Punkt 2 eine Rolle spielen.
Massiver Schaden am tragenden Rahmen der Ladefläche.
>> Beladen ablehnen.
Durch- und weggerostete Lochleiste. Das Anschlagen von Spanngurten ist nicht mehr möglich.
>> Beladen ablehnen.
Beschädigter Rahmen der Ladefläche, ein tragendes Teil.
>> Beladen ablehnen.
Schaden an der Beleuchtungsanlage und damit eine Beeinträchtigung der Betriebs- und Verkehrssicherheit.
>> Beladen ablehnen.
Ein beschädigter Reifen beeinträchtigt die Betriebs- und Verkehrssicherheit.
>> Beladen ablehnen.
Der Schaden ist so groß, dass bereits das Gewebe des Reifens zu sehen ist.
>> Beladen ablehnen.
Bauliche Veränderungen am Rahmen der Ladefläche. Je nachdem, welchen Eindruck das Gesamtfahrzeug vermittelt, sollte das Beladen abgelehnt werden. Erfahrungsgemäß sind noch andere Schäden vorhanden.
>> Abhängig von der Gesamtsituation wäre das Ablehnen die sauberste Lösung.
Bordwandscharniere durch einen Eigenbau ersetzt. Die Festigkeit der Bordwand ist damit nicht mehr nachvollziehbar. Formschlüssiges Stauen ist nicht mehr ausreichend sicher. Die Ladung mit Gurten (Nieder-/Direktzurren) sichern wäre denkbar.
>> Abhängig von der Gesamtsituation wäre das Ablehnen die sauberste Lösung.
Bauliche Veränderungen am Rahmen der Ladefläche. Je nachdem, welchen Eindruck das Gesamtfahrzeug vermittelt, sollte das Beladen abgelehnt werden. Erfahrungsgemäß sind noch andere Schäden vorhanden.
>> Abhängig von der Gesamtsituation wäre das Ablehnen die sauberste Lösung.
Fazit
Die vorstehenden Bilder zeigen, dass man augenfällige Mängel nicht suchen muss, sie fallen ins Auge. Ein Rundgang um das Fahrzeug ist im Regelfall ausreichend, um sie zu erkennen. Entscheidend ist der Umstand, dass das dann folgende Handeln, bzw. die erforderlichen Konsequenzen klar und eindeutig geregelt sind.
Die Erfahrung zeigt leider auch, dass manche Transportunternehmen nur die „harte Tour“ verstehen und erst auf die Ablehnung reagieren. Das Verladende Unternehmen sollte sich immer so verhalten, dass es sich auf rechtssicherem Terrain bewegt.
Ihr Sigurd Ehringer
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Sigurd Ehringer
✔ VDI-zertifizierter Ausbilder für Ladungssicherung ✔ Fachbuch-Autor ✔ 8 Jahre Projektmanager ✔ 12 Jahre bei der Bundeswehr (Kompaniechef) ✔ 20 Jahre Vertriebserfahrung ✔ seit 1996 Berater/Ausbilder in der Logistik ✔ 44 Jahre Ausbilder/Trainer in verschiedenen Bereichen —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt werden sie von Sigurd Ehringer, Inhaber von SE-LogCon.