Die Havarie des 4.419 TEU großen Containerschiffes MSC Napoli am 18.01.2007 im Englischen Kanal während des Sturms Kyrill hatte den Totalverlust des Schiffes zufolge. (Quelle: Napoli Report No9/2008)
Die Untersuchung ist insofern interessant, weil sich das Ergebnis unmittelbar auf das Packen/Stauen von Containern auswirkte. Was war passiert?
Die Ausgangssituation
Die MCS Napoli durchfuhr den englischen Kanal mit ca. 11 Knoten (~ 20 km/h) nach Westen in Richtung Biscaya. Die Wellenhöhe betrug zeitweise bis 9 m. Gegen 11:05 Uhr entstand ein schwerer Bruch an der Rumpfstruktur in der Nähe des Maschinenraumes.
Der Kapitän setzte um 11:25 Uhr einen Notruf ab und entschied sich, mitsamt der 26 Mann starken Besatzung das Schiff in einem geschlossenen Rettungsboot zu verlassen. Sie wurden später durch Helikopter der Roal Navy geborgen, es gab keine Verletzten.
Nach dem Abklingen des Sturmes wurde das Schiff Richtung Portland abgeschleppt, aber es drohte die Gefahr, dass es auseinander bricht und sinkt. Daher entschied man sich, das Schiff am 20.01.2007 in der Branscombe Bay auf Grund zu setzen.
Die Problematik
Die meisten Container konnten geborgen werden. Insbesondere die 660 an Deck gestauten wurden gewogen. Bei 137 davon war das tatsächliche Gewicht um mehr als 3 to größer als in den Frachtdaten angegeben. Die größte Abweichung betrug 20 to. Die 137 Container wogen insgesamt 312 to mehr als angegeben.
Eine der Aussagen im Untersuchungsbericht lautet:
„Container-Transport ist der einzige Industriezweig in dem das Gewicht nicht bekannt ist. Wenn die auf Containerschiffen wirkenden Kräfte genau kontrolliert und gesteuert werden sollen, ist es wesentlich, dass Container vor der Verladung gewogen werden.“
Das verifizierte Bruttogewicht
Aus den Ergebnissen der Untersuchungen erarbeitete die IMO die „ GUIDELINES REGARDING THE VERIFIED GROSS MASS OF A CONTAINER CARRYING CARGO“, das verifizierte Bruttogewicht.
Hierbei handelt es sich um das Ermitteln des tatsächlichen Gewichts eines Containers, bestehend aus Ladung + Verpackung + Sicherungsmittel + Tara-Gewicht des Containers. Das World Shipping Council bestimmte: „Die Verantwortung für das Erfassen und die Dokumentation des nachgewiesenen Bruttogewichtes eines gepackten Containers liegt beim Versender.“ Das ist eine klare Aussage.
Bei Verwiegungen ist eine Waage der Genauigkeitsklasse III der Richtlinie 2009/23/EG zu verwenden. Diese Genauigkeitsangabe ist keine Gewichtstoleranz, sondern die technische Anzeigetoleranz der verwendeten Waage.
Zur Bestimmung des verifizierten Bruttogewichts sind zwei Methoden zugelassen:
- Es werden alle Ladeeinheiten, Packstücke oder Stückgüter gewogen, das Gewicht von Sicherungs- und Staumaterial hinzugerechnet und mit dem Taragewicht des Containers ergänzt. Die Summe ergibt das verifizierte Bruttogewicht.
- Das Gespann mit Container wird leer gewogen. Dann wird die Ladung im Container gestaut und gesichert. Danach wird das beladene Gespann erneut gewogen. Die Differenz zwischen beiden Wiegescheinen + das Taragewicht des Containers ergibt das verifizierte Bruttogewicht.
Die Gewichtsbestimmung in der Praxis
Aus der Erfahrung sind manche Gewichtsabweichungen systemisch, weil sie durch ungenaue Angaben aus einer Datenbank, nicht gepflegten Datenbeständen oder durch fehlende Gewichtsanteile entstehen. Es kommt nicht selten vor, dass bei den Gewichtsangaben auf einer Ladeliste nur das reine Warengewicht angegeben wird und das Gewicht der Verpackung oder der Behältnisse (Fässer, IBC usw.) fehlt ganz.
Es ist angeraten, die Angaben in einer Datenbank regelmäßig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Gewichte, bei denen produktionsbedingt Abweichungen auftreten können, sollten geprüft werden, um zu erkennen, wie groß die Bandbreite der Abweichungen sein kann, damit sie in die Überlegungen einfließen können.
Im CTU-Code 2015 werden in den Kapiteln 4.2.2 bis 4.2.4 geregelt, wer für das Bestimmen der Bruttomasse (=VGM) verantwortlich ist und Pflichten zu erfüllen hat.
Kapitel 4.2.2: Der Versender soll korrekte Angaben zu den Gütern machen
Kapitel 4.2.3: Der Packer soll die Bruttomasse genau bestimmen und an den Befrachter/Absender weiterleiten.
Kapitel 4.2.4: Der Befrachter/Absender soll sicherstellen, dass die Bruttomasse genau bestimmt wird. Er soll auch dem Beförderer die bestätigte Bruttomasse so früh wie angefordert mitteilen.
Fazit
Damit ist klar, wer gemäß Handelsrecht für Verstöße im konkreten Fall zur Verantwortung gezogen werden kann.
Der Versender kann, gemäß Art.10 CMR, auch für Folgeschäden durch falsche Angaben haftbar gemacht werden. Das kann sich auch auf Schäden am Schiff beziehen, weil es ein Teil der Transportkette ist.
Es ist also angeraten, die Abläufe beim Containerstauen ordentlich zu regeln, die Aufgaben klar zu benennen und abzugrenzen, sowie zu kontrollieren.
Ihr Sigurd Ehringer
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Sigurd Ehringer
✔ VDI-zertifizierter Ausbilder für Ladungssicherung ✔ Fachbuch-Autor ✔ 8 Jahre Projektmanager ✔ 12 Jahre bei der Bundeswehr (Kompaniechef) ✔ 20 Jahre Vertriebserfahrung ✔ seit 1996 Berater/Ausbilder in der Logistik ✔ 44 Jahre Ausbilder/Trainer in verschiedenen Bereichen —> In einer Reihe von Fachbeiträgen aus der Praxis, zu Themen rund um den Container und LKW, erhalten Sie Profiwissen aus erster Hand. Wie sichert man Ladung korrekt und was sind die Grundlagen der Ladungssicherung? Erarbeitet und vorgestellt werden sie von Sigurd Ehringer, Inhaber von SE-LogCon.